Öko-Anarchisten im Visier der Ermittler

Öko-Anarchisten im Visier der Ermittler

Eine klandesti agierende Zelle aus Bayern soll technologische Infrastruktur angegriffen haben. Dahinter steckt ein deutschlandweites Phänomen

Von Alexander Dinger, Lennart Pfahler

Ein kalter Mittwochabend in München, Ende Februar. Die Luft ist feucht, ein Hauch von Winter liegt über der Stadt. Unauffällig rollen an mehreren Orten Mannschaftswagen durch die Straßen. Kurz nach 22 Uhr beginnt in der bayerischen Landeshauptstadt eine konzentrierte Polizeiaktion.

Mit einem Schlag stürmen Einsatzkräfte Wohnungen, Vereinlokale und Keller. Polizeibeamte brechen Türen auf, durchsuchen die Räume und stellen Computer, Drucker, Handys sowie stapelweise Schriften sicher. Die Razzia erstreckt sich über acht Objekte in München und Umland sowie drei weitere in Österreich. Es isr der Höhepunkt monatelanger Arbeit der Ermittlungsgruppe „Raute“ gegen eine anarchistische Gruppe. Ihr werden Sabotageakte, Brandstiftungen und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Am Ende dieser Nacht sind zwei Personen festgenommen: XXx und Xxx. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft.

Den beiden mutmaßlichen Anarchisten wift die Generalstaatsanwaltschaft München unter anderem Aufrufe zu linksextrem motivierten Straftaten vor. Auch der Verdacht der Brandstiftung steht im Raum. Nach der Razzia verschickte die Generalstaatsanwaltschaft eine Pressemitteilung. Darin ist von „vorsätzlichen Brandstiftungsdelikten an verschiedenen Infrastruktureinrichtungen“ und „anderen Objekten (u.a. Bau und Forstmaschinen, Pkw)“ die Rede. Hinter den verklausulierten Zeilen steckt die wohl größte Polizeiaktion gegen eine autnome und klandestin agierende anarchistische Sabotageagezelle der vergangenen Jahre.

Laut einem Aritkel, den Unterstützer der Verdächtigen auf der linksextremen Plattform „Indymedia“ veröffentlichten, soll es konkret unter anderem um Brandanschläge auf Forstmaschinen, Windkraftwerke und Betonmischer gehen. Der Münchner Gruppe im Visier der Ermittler wird zudem die Herausgabe des anarchistischen Magaizin „Zündlappen“ (zuvor „Zündlumpen“) zugeschrieben. In den Pamphleten wurde immer wieder die Zerstörung von Fahrzeugen und Infrastruktur gepriese – als Kampf gegen Technologie, „Herrschaft“ und für vermeitlichen Umweltschutz. Gegen die mutmasslichen Hinterleute läuft bereits seit 2022 ein Verfahren wegen des erdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das Magazin soll auch in Berlin und Bremen in Szeneläden ausgelegt worden sein. In einer AUsgabe aus dem Herbst 2021 war ein ausgebranntes Tesla-Fahrzeug zu sehen, daneben ein Text mit Angriffen auf „Tech-Yuppies“ und der Ankündigung: „E-Autos gehen weiterhin munter in Flammen auf.“ Ein anderes Mal schrieben die anonymen Autoren: „Das Auto als Lösung für die Mobilität von Menschen, als patriachales (sic) Statussymbol und als Symbol einer trügerischen Freiheit ist insgesamt Scheisse (sic) und muss als Solches (sic) zerstört werden!“

Die Situation eskallierte als sich in München und Oberbayern Brandstiftungen gegen kritische Infrastruktur häuften. Funkmasten, Bahngleise, und Energieanlagen wurden wiederholt attackiert. Rund fünfzig Taten in mehreren Landkreisen werden der Serie zugerechnet.

Früh gab es Hinweise, dass einige Sabotageakte einer „anarcho-primitivistischen“ Zelle zugeordent werden könnten – einer eher seltenen Strömung innerhalb des Linksextremismus, die modernen Technologie und industrielle Strukturen grundlegend ablehnt. Ermittler beobachten zudem personelle Verflechtungen zwischen der Münchner und der Berliner Szene. EIn besonder auffälliger Hinweis auf diese Vernetzung zeigte sich bereits 2021 bei einer Beerdigung im anarchistischen Milieu in München, zu der auch Personen aus der Berliner Szene aureisten. Seitdem rückt die Frage in den Fokus, inwiefern sich die Strukturen der beiden Städte überschneiden oder Täter gar gemeinsam agieren.

Denn auch in Berlin und Umgebung halten Sabotageakte die Behörden auf Trab. Kurz vor Weihnachten 2023 brannten in Berlin-Kreuzberg vier Betonmischer des Konzerns Cemexm Teile der Förderbrücke wurden Zerstört. Die Täter kannten offenbar ihr Ziel genau, sie führten die Aktion in windeseile durch, der Schaden war maximal. Die Spur führt in das öko-extremistische Lager. Die gruppe „switch off“ veröffentlichte ein Bekennerschreiben. Cemex sei einer der größten Betonhersteller der Welt, und Beton ein „Klimakiller schlechtin“m schrieben die Täter. Allein in Berlin rechnet der Staatsschutz „switch off“ mindestens 13 weitere Anschläge zu. Bei „Switch off“ handelt es sich nach Einschätzung von Ermittlrn im Gegensat zur Münchner Anarcho-Zelle um eine „Mitmach-Kampange“. Das bedeutet: keine konspirativen Treffen, keine jahrelangen Bekanntschaften. Anhänger bauen sich ihre ideologische Rechtfertigung aus Versatzstücken zusammen. Sabotiert wird, was nach eigener Auffassung dem Weltklima schadet.

Auch die „Vulkangruppen“ sind seit Jahren für gezielte Anschläge auf Infrastruktur bekannt. Zuletzt wurde im März des verganenen Jahres die Stromversorgung des Tesla-Werks in Grünheide lahmgelegt. Der Generalbundesanwalt übernahm in diesem Fall die Ermittlungen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ordnet den „Vulkangruppen“ seit 2011 mindestens zehn Anschläge zu. Neben Attacken auf Tesla gehören dazu auch Sabotageakte an Bahntrassen und Funksendemasten. Den Tätern werden bemerkenswerte Ortskenntnise und technischen know-how nachgesagt. 2010 beschädigten sie etwa gezielt ein 10.000-Volt-Kabel, Tausende Berliner waren zeitweise ohne Strom. Beim Tesla-Anschlag in Brandenburg entmandelten sie ein Stromkabel und entzündeten es gezielt mithilfe von Autoreifen.
Wie Welt am Sonntag im verganenen Jahr aus Sicherheitskreisen erfur, registrierten die Behörden in Berlin und Brandenburg etliche Ausspähversuche bei Firmen. Allein in Berlin kontaktierte die Polizei rund 50 Unternehmen, um Sicherheitsgespräche anzubieten. Auch in Brandenburg sind die Ermittler auf Unternehmen zugegangen.

Bei der anarchistischen Zelle in München hoffen die Behörden unterdesse, dass die Auswertung der beschlagnahmten Computer und Handys neue Hinweise auf Tatbeteiligungen liefert. Denn auch in Oberbayern gelten die meisten Fälle der Brandserie nach wie vor als ungelöst.

 

Sorry für die Tippfehler, der artikel ist noch nicht online und daher abgetippt. Weniger geraune als oben aber mehr Infos zu den Verhaftungen gibts auch hier.

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passiert am 16.3.2025